Bibelarbeit über das Grundwort „Werke"

Von Michael Strauch

 

1. Werke - ein Wort zuvor

Der biblische Begriff der Werke kann von zwei Seiten beleuchtet werden. Zum einen die Werke im Sinne von Taten. Das Tun Gottes, das Tun des Menschen. Letzteres kann man aufspalten in guten wie in bösen Taten. Böse Werke nennt die Bibel Sünden.

Zum zweiten muß das Wort Werke im Licht des Neuen Testaments in Bezug gebacht werden zum Heil. In welchem Verhältnis stehen Werke und Heil zueinander. Wir wollen uns beidem widmen:

 

2. Werke - im Sinne von Taten

2.1. Die grundsätzliche Bedeutung des Wortes

Im griechischen gibt es einige Worte für Taten/Werke/Tun. Ein Wort ist das griechische energeia (energeia). Das deutsche Wort Energie läßt sich leicht heraushören. Der griechisch sprechende energos (Energos) ist der Handelnde. Der etwas wirksam tut.

Es gibt noch das griech. Wort praxis (Praxis), das eher unserem Verständnis von Tätigkeit entspricht. Wenn ich also etwas tue, dann bin ich - im Gegensatz zum theoretischen Denken - praktisch tätig. Wir unterscheiden also zwischen denkerischer Arbeit (Theo rie) und Arbeit mit den Händen (Praxis). Der Grieche verbannt aber mit praxis ein Tun, das zielgerichtet ist, kraftvoll und schöpferisch.

Das Wort energeia wird gern im NT in Verbindung gebracht mit dem Wort dunamis (Dyna-mis). Besonders wenn der Herr Wunder wirkt, dann tut er das mit Kraft und Vollmacht.

 

2.2. Die grundsätzliche Bedeutung des Wortes in der Bibel

2.2.1: Gott wirkt

Wir Deutschen arbeiten in unserer Sprache gerne mit Substantiven, besonders wenn wir etwas Abstraktes oder nicht Greifbares in Worte fassen wollen. So können wir sagen: Mir ist Gnade um Gnade wiederfahren. Anstatt: Gott war mir sehr gnädig. Oder: Ich habe in allem Gottes Hilfe erfahren. Anstatt: Gott hat mir oft geholfen.

Der Hebräer beschreibt Gott nicht in erster Linie in Substantiven, sondern in Verben. Indem, was Gott tut, komme ich dem Verständnis des himmlischen Vaters näher. Somit beginnt die Bibel in erster Linie nicht mit einer langatmigen Beschreibung Gottes, wie man es vermuten könnte. Sondern es wird beschrieben, was Gott tut im Sinne: was er wirkt, was er bewirkt. Es fällt auf, dass Gott stets zuvor spricht und das Gesprochene umgesetzt wird. Gott ist darin wahrhaftig, weil Wort und Tat bei ihm nicht getrennt si nd. Was er sagt, das tut er auch (vgl. Jeremia 1,12). Wenn Gott sagt, dass er uns lieb hat, dann wird diese Liebe immer eine tätige Liebe sein. Und diese Liebe wird immer ein Werk zum Ziel haben, dass seinen Namen preist und unserer Seele gut tut. Ja, selbst der Mensch an sich ist Ausdruck seiner Werke. Ohne Werke würde ich nicht existieren. Der Mensch ist die Krönung der Werke Gottes.

Gott handelt auch in der Geschichte der Menschheit und in der Geschichte meines Lebens. Die Psalmen sind voll von „Geschichte(n)", die Gott mit seinem Volk wirkte.

2.2.2: Der Mensch wirkt

Weil Gott wirkt, soll auch der Mensch wirken. Es ist dabei nicht in erster Linie an Werke/Heil gedacht. Sondern das der Mensch wirken kann ist von größter Bedeutung für sein Wesen. Wir wissen heute, dass die momentane, hohe Arbeitslosigkeit des Menschen ei ne große, psychische Belastung mit sich bringt. Der Mensch und die Arbeit gehören zusammen. Von Anbeginn hat Gott dem Menschen einen „Beruf" gegeben. Gott hätte Adam leicht auch ein Schlaraffenland geben können, indem die gebratenen Tauben ihm in den Mund fliegen. Nein, Gott gibt dem Menschen Aufgaben. Auch er soll wirken. Auch er soll tätig werden. Auch beim Menschen gilt, was bei Gott selbstverständlich ist: Wort und Tat dürfen nicht auseinanderklaffen. Was ich sage, soll ich auch tun. Zu den Werken gehör t auch die tätige Liebe untereinander. Die Liebe geschieht nie allein in Worten, sondern muss immer auch „Wirkung" zeigen.

2.2.3: Der Mensch wirkt Gutes und Böses

Der Mensch spricht seit dem Sündenfall Gutes und Böses. Und er vermag Gutes zu sagen und das Böse zu tun. Beide Kräfte wirken in ihm. Hier wird deutlich, dass die guten Werke nicht vom Menschen aus seinem Inneren vollbracht werden. Sondern wer in Gott ist, der wird auch Gottes Werke wirken. Doch die Sünde ist auch in unserem Leben. Wo sie Macht gewinnt, bringt sie ihre Früchte hervor. Alles, was in der Abgeschiedenheit Gottes passiert, alles, was auf der Nachtseite (1Thess.5,1ff) geschieht, ist - von Gott losgelöst - böse. Ist Sünde. Sündige Werke bauen nicht auf, sie zerstören. Sie sind zerstörend für mich und für meine Umwelt. Die Werke des Bösen haben Folgen (1Mose 3,17-19).

2.2.4: Gott wirkt ein Neues

Der Mensch ist für sein Werk verantwortlich. Er wird zur Rechenschaft gezogen. Diese Rechenschaft überlebt er nicht. Im Joh 3,16 heißt es, dass Gott aber den Menschen liebt. Dieses Werk der Liebe wird tätig in der Menschwerdung seines Sohnes Jesus Christus . Die Evangelien erzählen bewußt von den Taten/Werken Jesu auf Erden. Worte und Werke Jesu bilden stets eine Einheit. Jesus nennt die gute und die böse Quelle, aus der jeweils die Werke hervorkommen. Das bringt ihm feindliche Taten ein. Sein Gegenspieler, Satan, w i r k t, solange er die Möglichkeit dazu hat.

Am Kreuz findet die erste große Abrechnung statt. Der Sohn Gottes macht am Kreuz offenbar, was Paulus in Röm 3,23 formuliert: Worte und Werke des Menschen sind böse. Sie taugen nicht zur Ehre Gottes. Auch die scheinbar guten Werke entstammen ich-bezogenen Motiven. Christus trägt die Gerichtskosten, er erträgt das Urteil und es wird an ihm vollstreckt. Christus stirbt für meine Werke. Das ist sein Erlösungswerk.

Durch dieses Werk der Erlösung ist es möglich, durch den Glauben an Jesus und die Kraft des Heiligen Geistes eine Neuschöpfung zu bewirken. Gott erschafft im Grunde einen neuen Menschen im alten (Johannes 3). Wir werden neu geboren. Wir werden zu Kindern Gottes. Gott selbst bewirkt das gute Werk durch uns. Ohne ihn kann ich kein gutes Werk vollbringen. Wo ich selbst das Böse tue, so rette ich mich zum Kreuz und erhalte Vergebung.

2.2.5. Das Wesen des neuen Wirkens ist gleich geblieben

Doch das Wesen des Werkes ist gleich geblieben: Gott will, dass der Christ Werke tut. Dass er mit vollem Einsatz und Energie, zielgerichtet Gottes Willen tut und ihn ehrt. Er will, dass sein Wort in und durch mein Leben Gestalt gewinnt. Gott ist immer ein tätiger Gott. So kann auch der Christ nicht tatenlos bleiben. Er will ebenfalls wirken (Jakobus 2). Denn ohne Werke des Glaubens ist der Glaube tot. Das ist auch logisch, weil Gott selbst Werke durch mich vollbringen will. Wenn mein Leben in seiner Hand is t, wird er das auch durch mich tun. Wer glaubt, der wirkt. Eph 2,10: Wir sind sein Werk, erschaffen zu guten Werken.

 

3. Der Zusammenhang von Werk und Heil

Wenn wir heute von Werken sprechen, dann geht es uns meist weniger um die Frage, was wir tun oder bewirken. Sondern eher um die Problematik, inwiefern Werke nötig sind für das Heil in Christus. Die Reformation hat mit großer Energie und Zielstrebigkeit sic h gegen jede theologische Ausrichtung gerichtet, die behauptet, dass Werke notwendig sind für die Gerech-tigkeit vor Gott. Luther macht fest: allein der Glaube an Jesus Christus ist notwendig. Sola Fide. Wir halten fest: der Mensch wird allein durch Glaube n gerettet werden (Römerbrief). Eine Bedeutung der Werke als Beitrag zum Heil lehnt das Neue Testament ab. Und dennoch werden Werke gefordert, ja selbst das Gericht greift die Werke auf. Was ist aber ein gutes Werk? Ein gutes Werk ist getan, wenn es völlig selbstlos, ohne Eigennutz, allein zu Gottes Ehre, im Glauben und aus Liebe zu Gott und dem Menschen geschieht. Die Frage ist, wer handelt so selbstlos? Hier muss der Mensch erneut seinen „Dienst quittieren". Allein Gott kann es. Durch den Glauben an Jesus empfängt der Christ den Heiligen Geist. Dem Menschen bleibt es, sich in Bewegung zu setzen. Ihm bleibt es, das, was er als Gottes Willen erkennt, zu tun. Die Praxis, das Tätigwerden ist von ihm verlangt. Doch die Frucht, die Gott wohlgefällt, die aus Glau ben entsteht, vermag allein der Geist Gottes zu wirken. Es wird darum immer mehr eine Frage sein, inwieweit ich mich in Aktivitäten verstricke und inwieweit ich es lerne, aus der Stille, aus der Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus und aus der Kraft und dem Hö ren auf den Heiligen Geist lerne, zu wirken (Mt 5,16). Zu diesen Werken gehört ganz bewußt auch das missionarische Wirken. Doch dieses geschieht allzuoft in Worten, weniger in Taten. Nocheinmal: Worte und Taten bilden bei Gott eine Einheit. Wer zum Außenstehenden sagt, dass Gott ihn liebe, diese Liebe aber durch den Christen für ihn nicht erfahrbar bleibt, dann wirken diese Werke wenig furchtbringend. Gott allein schafft es, den Menschen doch noch zu gewinnen.

Zum Schluss ein Wort aus dem Heidelberger Katechismus im Bezug auf die Notwendigkeit der Werke:

„Darum, dass Christus, nachdem er uns mit seinem Blut erkauft hat, uns durch seinen Heiligen Geist erneuert zu seinem Ebenbild, dass wir mit unserem ganzen Leben uns dankbar gegen Gott für seine Wohltaten erzeigen, und er durch uns gepriesen werde. Danach auch, dass wir bei uns selbst unseren Glauben aus seinen Früchten gewiss seien, und mit unserem gottseligen Wandel unsere Nächsten auch Christo gewinnen."